Dienstag, 20. Mai 2014

"Ihr fehlen die Fähigkeiten!"

Wenn Augsburgs Politiker auf Facebook übereinander herziehen - gerne auch in der selben Partei 

Facebook ist ein tolles Medium. Man bleibt mit Freunden in Kontakt, erfährt schnell die neuesten News und kann sich eines der gefühlt fünf Milliarden Videos von süßen Tieren ansehen. Facebook hat auch schon länger die Politik erreicht. Selbst oder besonders auf kommunaler Ebene nutzen Politiker das soziale Netzwerk häufig. Das Gute daran ist: Die Einträge sind authentisch, sie stammen von den Stadträten selbst. Auf Bundesebene erledigen das oft Mitarbeiter oder Agenturen. Und weil die Postings authentisch sind, sind sie auch oft emotional. Das führt zu interessanten, skurrilen und mitunter auch peinlichen Auseinandersetzung. Hier das Best of:

ULRIKE BAHR vs. MÄGGIE HEINRICH

Eine Wahlniederlage ist hart. Eine derart herbe Wahlniederlage, wie sie im März die Augsburger SPD erlebt hat, ist besonders hart. Reflexartig beginnt die Suche nach Schuldigen, irgendjemand muss ja verantwortlich sein. Besonders unter Druck stand und steht die Vorsitzende Ulrike Bahr. Schon vor der Wahl umstritten, wurde sie am letzten Wochenende mit einem miserablen Ergebnis im Amt bestätigt. In ihrer Rede setzte sie zum Gegenangriff an. Etwas altbacken sei man im Wahlkampf wohl dahergekommen. Die Leiterin der Wahlkampfkommission - Margarete Heinrich - fand das alles andere als lustig und wollte diese Anschuldigung nicht auf sich sitzen lassen. Die Parteivorsitzende sei bei der Kommission mit dabei gewesen, habe die Entscheidungen mitgetragen. Zudem habe Bahr oft mit Abwesenheit geglänzt und der Wahlkampf sei sicher nicht altbacken gewesen. Diese Worte sind ein deutliches Indiz dafür, wie zerrissen die SPD in Augsburg ist. Die Wahlschlappe ist noch lange nicht verdaut. Wenig später war Margarete Heinrichs Posting übrigens gelöscht. Wie die Zusammenarbeit zwischen der Noch-Parteivorsitzenden und der Neu-Fraktionschefin künftig funktionieren kann, ist mehr als fraglich.

ROLAND WEGNER vs. ULRIKE BAHR UND MÄGGIE HEINRICH

Ulrike Bahr hat's nicht leicht. Direkt nach der Wahl kam ebenfalls harte Kritik vom überraschend klar gescheiterten Kandidaten Roland Wegner. Auch er sieht im Bundestags-Neuling Bahr eine der Hauptschuldigen. Als Parteivorsitzende fehlten ihr die Fähigkeiten, so Wegner. Er fordert unverhohlen über Facebook Bahrs Rücktritt. Aber auch Margarete Heinrich bekommt ihr Fett weg: Sie habe als Wahlkampfleiterin versäumt, die gänzlich unbekannten Kandidaten auf der SPD-Liste zu stadtweit bekannten Gesichtern zu machen. Denn die SPD-Kandidaten durften nur in ihrem Stadtteil plakatieren, alles andere war tabu. Tatsächlich verfolgte die CSU hier einen anderen Kurs. Ihre Köpfe sah man von Haunstetten bis zur Firnhaberau. In der SPD schießt wohl derzeit jeder gegen jede(n).

EVA WEBER vs. THORSTEN FRANK

Klar, als Stadtratskandidat muss man sich erstmal bekannt machen. Gerne mit skurrilen Forderungen auf Facebook. Der (später gescheiterte) Kandidat Thorsten Frank präsentierte sich in einem Flyer als Retter der Jakober Kirchweih, Augsburgs mittlerweile schäbigstem "Volksfest". Die Verkürzung auf vier Tage "durch die Stadtverwaltung" führe zum Aus. Das wiederum brachte die heutige Bürgermeisterin Eva Weber - ebenfalls sehr aktiv auf Facebook - auf die Palme. Sie gab contra und wies via Posting darauf hin, dass nicht die Verwaltung, sondern der Rat die Entscheidung getroffen habe und jeder SPD-Stadtrat ebenfalls für das neue Konzept gestimmt habe. Das Ganze ging dann (alles auf Facebook) noch ein einige Male hin und her, bevor Margarete Heinrich den Brand mal wieder löschen musste und sich entschuldigte.

MÄGGIE HEINRICH vs. EVA WEBER

Alles gut ist zwischen den beiden Frauen trotzdem nicht. Die CSU wollte beweisen, kein Hinterzimmer-Männer-Verein zu sein und organisierte einen Frauen-Abend. Die zwei jungen SPD-Kandidatinnen Anna Rasehorn und Angela Steinecker verteilten draußen allerdings Werbe-Flyer für die SPD. Daraufhin fiel wohl von einer CSU-Dame der Satz, das sei "peinlich". Das wiederum fand Margarete Heinrich peinlich und äußerte sich erzürnt auf ihrer Facebook-Seite. Es folgten weitere Diskussionen. Eva Weber schaltete sich erneut ein und versuchte, die Wogen zu glätten. Die SPD-Damen seien herzlich eingeladen gewesen. Am Ende hatten sich dann alle wieder lieb. Ende gut, Facebook gut.

Und da soll noch einer sagen, politische Debatten - naja, zumindest im weitesten Sinne - könnten nicht auf Facebook stattfinden!
Aber warum sind daran eigentlich fast nur Frauen beteiligt? Männer aus dem Stadtrat, haltet euch ran, das Volk will unterhalten werden!

Sonntag, 18. Mai 2014

Bauen bis zum bösen Ende?

Der Augsburger an sich ist geduldig und genügsam. Er hat den knapp zweijährigen Kö-Umbau und die damit verbundenen Fahrplan-Umstellungen klaglos akzeptiert. Er hat es hingenommen, dass die Fußgängerzone monatelang kaum noch zu betreten war, außer man stieg über komischen Behelfs-Brücken. Die viel zitierte Aufenthaltsqualität blieb vollends auf der Strecke. Aber zumindest war das allen klar. Der neue Kö ist jetzt fertig und schön und funktioniert. Die Fußgängerzone auch. Trotzdem verirren sich nicht mehr Leute als vorher dorthin. Im Gegenteil. 
Der Kö funktioniert auch, weil sich die Autofahrer zwischenzeitlich andere Wege gesucht haben. Auf der Friedberger Straße bleiben Staus seit der Einführung der Linie 6 aus, weil die Autos gleich einen Bogen darum machen. Macht sich dieser Umerziehungseffekt jetzt auch in der Fußgängerzone bemerkbar? Vieles spricht dafür, dass die Menschen seit den Umbauarbeiten die Innenstadt meiden und bislang auch nicht wieder gekommen sind. Besonders das Umland scheint sich zurückzuhalten. 

Augsburgs gute Stube schreckt derzeit eher ab

Viele dachten, 2014 werde alles besser. Wird es aber nicht. Die MAN-Kreuzung nervt viele, die in Richtung Innenstadt fahren wollen. Satte zwei Jahre wird hier noch gebaut - länger als der Kö gebraucht hat. Und der Rathausplatz - Augsburgs "feine Stube" - sieht derzeit mehr als abschreckend aus. Weite Teile dienen seit Jahren als Abstellplatz für Baustellenfahrzeuge und Materialien. Auf der anderen Seite verläuft eine autobahnähnliche Teerspur quer über den Platz. Um den Platz herum: Alles eine große Baustelle, die Läden erreichen Kunden erneut nur über die Behelfs-Brücken. Die Aussage, die Touristen oft zu hören bekommen, erhält damit eine ganz neue Bedeutung: Augsburg hat mehr Brücken als Venedig...
Was also tun? Abwarten, bis alles vorbei ist? Ja. Könnte man. Aber ist es dann nicht vielleicht zu spät? Hat man dann möglicherweise eine rausgeputzte Innenstadt ohne Kunden? Die neue Stadtregierung will gegensteuern. Der Handel klagt, er brauche die Autofahrer und die bräuchten in erster Linie gute Zufahrten und günstige Parkplätze. Deshalb will man die Semmeltaste für kostenloses Parken wieder auf 30 Minuten ausweiten und in der Früh und Abends keine Parkgebühren mehr kassieren. Zudem soll ein neues Parkhaus in der Innenstadt kommen. So steht es im Koalitionsvertrag. Die Grünen sind bei diesen Plänen übrigens nicht dabei. Sie wollen den Autoverkehr in der Innenstadt eher einschränken. Aber deshalb gibt es ja in Augsburg das Novum von zwei Koalitionsverträgen... Auch an einer erneuten gut gemachten Werbekampagne für die City wird die Stadt nicht vorbei kommen. 

Presslufthämmer dominieren, aber die Hoffnung bleibt

Es werden harte Zeiten für die Händler, keine Frage. Hat die Augsburger Innenstadt trotzdem Zukunft? Ja, hat sie. Denn sie hat durchaus Charakter. Die Mehrheit der Geschäfte sind nicht die Großfilialisten, sondern Inhabergeführte Läden, die es so sonst nirgendwo gibt. Gemeinsam mit den bekannten Ketten stehen sie für ein breites Angebot. Am meisten macht den Händlern der Online-Handel zu schaffen. Studien zeigen jedoch: Wenn Kunden künftig selbst fürs Zurückschicken von Waren zahlen müssen, will ein Großteil sein Kaufverhalten ändern. Womöglich klingelt der Zalando-Bote dann deutlich seltener. Auch viele kleinere Geschäfte haben die Zeichen der Zeit erkannt und setzen auf eine Kombination aus stationärem Handel und Internet. 
Das kann funktionieren, wenn nicht die zahllosen Bagger und Presslufthämmer den Kunden dauerhaft die Lust auf die City vermiest haben. Es wäre schade.

Mittwoch, 7. Mai 2014

Der Nachfolger der Könige - Horst Seehofer in Gersthofen

Die Frage der Fragen kommt gleich zu Beginn. Von meinem Sitznachbar an seinen Kumpanen. "Wieso gibt's da jetzt kein' Marsch ned? Früher gab's da immer an Marsch!" Gemeint war der Einzug des Ministerpräsidenten in die Halle. Er kommt halt einfach rein, weder pompöse Musik vom Band noch eine Untermalung durch die örtliche Blaskapelle erklingt. Das stört nicht, ist aber untypisch für einen, der wenig später von "meinen Vorgängern, den bayerischen Königen" spricht.
Weder Krone, noch Zepter, nur Seehofer. Und Markus Ferber. Das ist das Konzept von "Seehofer direkt", mit dem er derzeit durch den Freistaat zieht. Das ist insofern wohltuend, als dass endlose Reden und Monologe vermieden werden und zumindest ein Hauch Interaktion und Dialog durch die gut besuchte Stadthalle weht. Die Fragen der Besucher - fast alle eingefleischte CSU-Mitglieder - sollen im Mittelpunkt stehen. Die Gefahr, die dabei immer besteht, wird auch in Gersthofen schnell sichtbar: Viele stellen keine Fragen, sie halten Referate oder geben teils wunderliche Statements ab. Stellenweise wissen Ferber und Seehofer gar nicht, worauf sie antworten sollen.
Am prägnantesten äußert sich noch die Dame, die sich selbst als "einfache Hausfrau" vorstellt und wissen will, für was diese AfD denn so stehe. Im Freundeskreis spreche man oft darüber - "und ich sage Ihnen, wir haben einen außerordentlich großen Freundeskreis!" Seehofer lächelt, Ferber antwortet.

Die Stimmung im Saal ist gut. Seehofer sei "subbrr drauf", bestätigen die Besucher an dem Tisch, wo vorher die ausbleibende Marschmusik kritisiert wurde. Seehofer und Ferber machen nochmal klar: Ja zu Europa! Das "Aber", das danach kommt, ist jedoch recht groß. Die EU solle sich um die großen Probleme kümmern - Ukraine, Klimawandel, Flüchtlingsströme - aber nicht um die Wärmeplatten von Kaffeemaschinen, Ölkännchen beim Italiener oder Glühbirnen. Die EU-Kommission soll massiv verkleinert werden, wenn es nach der CSU geht. Kritikern aus der CDU empfiehlt Ferber, "einach mal die europäischen Verträge zu lesen. Dort ist das eindeutig so formuliert."
Auch um Regionales geht es dann noch. Die viel diskutierte Stromtrasse durch Bayern mit dem Endpunkt in Meitingen im Landkreis Augsburg werde es mit ihm nicht geben, so Seehofer. "Wir haben doch nicht die Energiewende eingeleitet, um dann eine Leitung zu bauen, damit die Sachsen-Anhaltiner ihren Kohle-Strom loswerden."
Als es gerade keine bahnbrechenden Fragen mehr gibt, wird der FC Augsburg gepriesen (Seehofer: "Weinzierl ist ein hervorragender Trainer!") oder die Erfolge bayerischer Sportler bei Olympia ("Fast alle Medaillen-Gewinner kommen von hier!").
Markus Ferber liefert gegen Ende noch ein Hauptargument, warum man die CSU und damit ihn wählen soll. "Ich bin der Einzige aus der Region, der eine Chance hat, ins Parlament gewählt zu werden!" Da hat er recht. Die anderen Kandidaten aus der Region, die zuvor noch jubelnd begrüßt wurden und artig ins Publikum winkten, wirken dennoch leicht irritiert.

Seehofer und CSU-Spitzenkandidat Ferber können nicht gut miteinander. Sagt man. In Gersthofen spielen sie sich auf der Bühne die Bälle eigentlich ganz gut zu, auch wenn der Ministerpräsident den Europapolitiker das ein oder andere Mal etwas auflaufen lässt. Aber er ist nun mal der Boss. Der Boss sagt dann auch, dass er Markus Ferber schon zwei Mal als Minister nach München holen wollte, der habe aber abgesagt. So etwas habe er auch noch nie erlebt. Jetzt lächelt Ferber. Womöglich ist die Geschichte frei erfunden, womöglich hatte Ferber aber auch keine Lust auf Seehofers legendäre Maßregelungen seiner Minister am Kabinettstisch.
Auch die direkten Mitarbeiter Seehofers haben stellenweise wenig zu lachen. Als Seehofer eintrifft, stürmt eine Frau auf ihn zu, übergibt ihm einen Brief mit einem vermutlich weltbewegenden Anliegen und kritisiert, sie habe auf ihr erstes Schreiben keine Antwort erhalten. Seehofers Miene verfinstert sich, er blickt zu seinem Mitarbeiter. "Wie kann das sein? Das gibt es nicht, dass Sie keine Antwort erhalten. Das ist ein Unding." Böser Blick zum Mitarbeiter, der den Brief mittlerweile entgegen genommen hat, von der Frau, ihrem Anliegen und einer ausbleibenden Antwort natürlich ebenso wenig weiß wie der Ministerpräsident. Aber der ist der Boss.

Im anschließenden Interview für TV und Radio wird Seehofer die Frage gestellt, was Europa von Schwaben lernen könne. Seehofer überlegt nicht lange: "Alles." Und lächelt.



Horst hat viel vor mit Europa - schon seine Vorgänger, die Könige, seien europaorientiert gewesen, sagt er.