Sonntag, 18. Mai 2014

Bauen bis zum bösen Ende?

Der Augsburger an sich ist geduldig und genügsam. Er hat den knapp zweijährigen Kö-Umbau und die damit verbundenen Fahrplan-Umstellungen klaglos akzeptiert. Er hat es hingenommen, dass die Fußgängerzone monatelang kaum noch zu betreten war, außer man stieg über komischen Behelfs-Brücken. Die viel zitierte Aufenthaltsqualität blieb vollends auf der Strecke. Aber zumindest war das allen klar. Der neue Kö ist jetzt fertig und schön und funktioniert. Die Fußgängerzone auch. Trotzdem verirren sich nicht mehr Leute als vorher dorthin. Im Gegenteil. 
Der Kö funktioniert auch, weil sich die Autofahrer zwischenzeitlich andere Wege gesucht haben. Auf der Friedberger Straße bleiben Staus seit der Einführung der Linie 6 aus, weil die Autos gleich einen Bogen darum machen. Macht sich dieser Umerziehungseffekt jetzt auch in der Fußgängerzone bemerkbar? Vieles spricht dafür, dass die Menschen seit den Umbauarbeiten die Innenstadt meiden und bislang auch nicht wieder gekommen sind. Besonders das Umland scheint sich zurückzuhalten. 

Augsburgs gute Stube schreckt derzeit eher ab

Viele dachten, 2014 werde alles besser. Wird es aber nicht. Die MAN-Kreuzung nervt viele, die in Richtung Innenstadt fahren wollen. Satte zwei Jahre wird hier noch gebaut - länger als der Kö gebraucht hat. Und der Rathausplatz - Augsburgs "feine Stube" - sieht derzeit mehr als abschreckend aus. Weite Teile dienen seit Jahren als Abstellplatz für Baustellenfahrzeuge und Materialien. Auf der anderen Seite verläuft eine autobahnähnliche Teerspur quer über den Platz. Um den Platz herum: Alles eine große Baustelle, die Läden erreichen Kunden erneut nur über die Behelfs-Brücken. Die Aussage, die Touristen oft zu hören bekommen, erhält damit eine ganz neue Bedeutung: Augsburg hat mehr Brücken als Venedig...
Was also tun? Abwarten, bis alles vorbei ist? Ja. Könnte man. Aber ist es dann nicht vielleicht zu spät? Hat man dann möglicherweise eine rausgeputzte Innenstadt ohne Kunden? Die neue Stadtregierung will gegensteuern. Der Handel klagt, er brauche die Autofahrer und die bräuchten in erster Linie gute Zufahrten und günstige Parkplätze. Deshalb will man die Semmeltaste für kostenloses Parken wieder auf 30 Minuten ausweiten und in der Früh und Abends keine Parkgebühren mehr kassieren. Zudem soll ein neues Parkhaus in der Innenstadt kommen. So steht es im Koalitionsvertrag. Die Grünen sind bei diesen Plänen übrigens nicht dabei. Sie wollen den Autoverkehr in der Innenstadt eher einschränken. Aber deshalb gibt es ja in Augsburg das Novum von zwei Koalitionsverträgen... Auch an einer erneuten gut gemachten Werbekampagne für die City wird die Stadt nicht vorbei kommen. 

Presslufthämmer dominieren, aber die Hoffnung bleibt

Es werden harte Zeiten für die Händler, keine Frage. Hat die Augsburger Innenstadt trotzdem Zukunft? Ja, hat sie. Denn sie hat durchaus Charakter. Die Mehrheit der Geschäfte sind nicht die Großfilialisten, sondern Inhabergeführte Läden, die es so sonst nirgendwo gibt. Gemeinsam mit den bekannten Ketten stehen sie für ein breites Angebot. Am meisten macht den Händlern der Online-Handel zu schaffen. Studien zeigen jedoch: Wenn Kunden künftig selbst fürs Zurückschicken von Waren zahlen müssen, will ein Großteil sein Kaufverhalten ändern. Womöglich klingelt der Zalando-Bote dann deutlich seltener. Auch viele kleinere Geschäfte haben die Zeichen der Zeit erkannt und setzen auf eine Kombination aus stationärem Handel und Internet. 
Das kann funktionieren, wenn nicht die zahllosen Bagger und Presslufthämmer den Kunden dauerhaft die Lust auf die City vermiest haben. Es wäre schade.

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